Zeitgenoessische Komponisten
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Player Piano-Komponisten und ihre Werke
 

  • George Antheil
  • Michael Denhoff
  • Marcel Duchamp
  • Kiyoshi Furukawa
  • Hans Haass
  • Georg Hajdu
  • Marc-André Hamelin
  • Wolfgang Heisig
  • Tom Johnson
  • Georg Kröll
  • György Ligeti
  • Daniele Lombardi
  • Krzysztof Meyer
  • Conlon Nancarrow
  • Carlos Sandoval
  • Steffen Schleiermacher
  • Daniel N. Seel
  • Gerhard Stäbler
  • James Tenney
  • Zusammenarbeit mit einigen Komponisten anlässlich des Player Piano-Projektes im Rahmen der MusikTriennale Köln 2000

    Nancarrow avancierte nach seiner ‘Entdeckung’ in den frühen achtziger Jahren zu einer Art Kultfigur in der zeitgenössischen Musikszene, und seine Kompositionen für Player Piano waren - und sie sind es noch heute - mit der Aura des Geheimnisvollen umgeben. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass man zur authentischen Wiedergabe ein geeignetes Instrument, d.h. ein Klavier oder einen Flügel mit einer Ampico-Selbstspieleinrichtung (Ampico = American Piano Company) benötigt. Diese Instrumente, deren Produktion Anfang der dreißiger Jahre eingestellt wurde, befinden sich heute in Museen oder in Sammlerhänden. Die einzigen Instrumente, die nach Nancarrows Wünschen modifiziert wurden und die für Konzertveranstaltungen zur Verfügung stehen, sind der Ampico-Bösendorfer- sowie der Ampico-Fischer-Flügel des Autors. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass viele Komponisten, die von dem Faszinosum Nancarrow / Player Piano angetan waren, früher oder später den Weg nach Bergisch Gladbach fanden, wo die Instrumente üblicherweise in meinem Wohnzimmer stehen. 

    So ergab sich in den letzten Jahren eine fruchtbare und faszinierende Zusammenarbeit mit vielen Komponisten. Ein erster Besuch diente meist dazu, Nancarrows Musik ‘original’ zu hören und die Möglichkeiten und Grenzen des pneumatischen Systems kennen zu lernen. Manchmal vergingen Jahre, manchmal aber auch nur Monate oder Wochen, bis ein zweiter Besuch folgte, bei dem oft schon erste kompositorische Versuche oder Ergebnisse mitgebracht wurden.
    Bis vor wenigen Jahren benötigte man zur Steuerung des Player Pianos Lochstreifen. Eine Komposition musste in mühevoller Arbeit auf einen Papierstreifen übertragen und Loch für Loch gestanzt werden - dies war meist meine Aufgabe. Dann musste die Dynamik kodiert werden: die Lautstärke wird ebenfalls über bestimmte Spuren und Lochungen auf dem Papierstreifen gesteuert. Die Anfertigung eines solchen Lochstreifens bedeutete wochenlange - oft monatelange Arbeit. Dank der Mithilfe zweier Fachleute - Horst Mohr und Walter Tenten - gelang es 1994, eine Computersteuerung zu entwickeln, die es ermöglichte, die Instrumente zu steuern und zu synchronisieren, ohne den aufwendigen Weg über den Lochstreifen zu beschreiten.   

    Hierzu war es jedoch notwendig, die Partitur in Midi-Daten zu übertragen, d.h. im Computer quasi ein Abbild des Lochstreifens zu erzeugen. Dabei war mir Werner Funk aus Stuttgart eine unschätzbare Hilfe. Letztendlich mussten auch die Midi-Dateien eine Dynamik-Kodierung erhalten.

    Die Zusammenarbeit mit den Komponisten gestaltete sich recht unterschiedlich: Am einen Ende der Skala steht sicherlich Wolfgang Heisig, der schon mehrfach für selbstspielende Instrumente komponierte und der ein hervorragender Kenner des Systems ist. Er lieferte eine gestanzte Notenrolle, die schon die Dynamik-Kodierung enthielt. Am anderen Ende der Skala wäre Krzysztof Meyer zu nennen, mit dem mich seit vielen Jahren eine enge Freundschaft verbindet, und der über einen Zeitraum von drei Monaten häufig bei uns zu Gast war - manchmal für mehrere Tage - um in direktem Kontakt mit den Instrumenten seine Kompositionsskizzen auszuarbeiten. Dies erlaubte natürlich eine optimale Realisierung seiner musikalischen Ideen. 

    Dazwischen gab es fast alle Übergangsstadien: Steffen Schleiermacher lieferte fertige Midi-Dateien, die wir in mehreren Sitzungen dynamisch ergänzten. Kiyoshi Furukawa schickte aus Japan ebenfalls Midi-Dateien, die mit Hilfe eines Computerprogramms generiert wurden. Da er ausdrücklich keine aufwendigen dynamischen Differenzierungen wünschte, konnten wir anlässlich eines Besuches alle zwölf Stücke an einem Tag bearbeiten. Michael Denhoff schickte Partituren von fast kalligraphischer Präzision, deren Übertragung in Midi zwar zeitaufwendig aber sonst problemlos war. Die differenzierte dynamische Bearbeitung, die wir gemeinsam vor Ort an den Instrumenten durchführten, nahm jedoch mehrere Tage in Anspruch. 
    Etwas ‘problematischer’ - und zwar ausschließlich wegen der räumlichen Entfernung - war die Zusammenarbeit mit dem in den USA lebenden Pianisten Marc-André Hamelin. Er schickte eine konventionelle Partitur, die wiederum von Werner Funk in Midi-Daten übertragen wurde. Die dynamische Bearbeitung erwies sich wegen des ausdrücklich gewünschten extremen Tempos als recht schwierig:   

    an manchen Stellen war die Musik schneller als die Schaltgeschwindigkeit der Dynamik-Befehle. Dennoch - nachdem etliche Tonkassetten den großen Teich überquert und einige ‘Telefonkonzerte’ stattgefunden hatten, geriet alles zur Zufriedenheit des Komponisten. 
    Die höchsten Anforderungen stellte sicherlich ‘playmanic’ von Gerhard Stäbler: eine fast hundertseitige Partitur musste wiederum in Midi übertragen werden. Dies schien zu Anfang eine schier unlösbare Aufgabe, da Stimmen in konstanter Geschwindigkeit mit gleichzeitig ablaufenden Stimmen kombiniert waren, die sich permanent beschleunigten bzw. verlangsamten. Da alle Sequenzer-Programme mit festen Taktsystemen arbeiten, mussten bei den Accelerandi und Ritardandi die Tonlängen einzeln berechnet werden - eine Aufgabe, die Werner Funk schließlich in mühevoller ‘Kleinarbeit’ löste. Bei der Bearbeitung der Dynamik war der englische Pianist und Musikwissenschaftler Francis Bowdery eine unersetzliche Hilfe. 

    Die Übertragung der nur einseitigen Partitur von Daniel N. Seel in Midi war ein Kinderspiel - nicht hingegen die Anweisung, die vorgegebene Tonskala in genau 11 Minuten so oft zu wiederholen, bis das Tempo von 30 auf 15 abgesunken ist. Nach einer weiteren Wiederholung sollte das Stück bei exakt 11 Minuten und 11 Sekunden enden. Aber auch diese mathematische Aufgabe war lösbar. Da die gewünschte Dynamik auf nur einem Player Piano nicht realisierbar war, wurde das Stück für zwei Instrumente eingerichtet. 
    Bei Herzstück von Georg Hajdu war neben den beiden Player Pianos noch eine Video-Projektion vorgesehen. Der Aufwand bei der Kodierung der Dynamik überstieg nicht das übliche Maß, aber die Probleme, die bei der synchronen Steuerung von zwei Klavieren plus Video-Projektion auftraten, erforderten umfangreiche Vorbereitungen. Ganz problemlos verlief die Bearbeitung der Kompositionen von Georg Kröll - nach zwei ‘Sitzungen’ hatten wir seine beiden Klavierstücke ‘im Kasten’.

    Jürgen Hocker

       

    Der Bösendorfer-Ampico-Flügel wurde von Komponisten signiert, deren Werke auf

    diesem Instrument in deren Anwesenheit aufgeführt wurden.

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    George Antheil

    Geb. 1900 in Trenton, New Jersey (USA) Studien bei Constantin von Sternberg und Ernest Bloch
    1922: Übersiedlung nach Europa. Wirkt als Pianist und Komponist
    1926: Uraufführung des "Ballet Mécanique" in Paris
    1933: Rückkehr nach Amerika; Schreibt Ballett- und Filmmusik
    1936: A. lässt sich in Hollywood nieder
    1959: Gest. in New York

    Mécanique No.1
    Diese Komposition, die meines Wissens in keinem Werkverzeichnis Antheils aufgeführt ist, wurde vor wenigen Jahren von dem Pianisten Marc-André Hamelin in den USA als Lochstreifen entdeckt. Die Datierung (1920) lässt vermuten, dass es sich um Antheils erste Komposition für Selbstspielklavier handelt. Das musikalische Material wurde später im zweiten Satz "Snakes" seiner Klaviersonate "Sonata Sauvage" (1922/23) verwendet. Mécanique No.1 ist dem Genre der Maschinenmusik zuzurechnen: Maschinenhaft stampfende Akkorde werden überlagert von einem immer schneller ablaufenden Räderwerk. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um ein Fragment.

    George Antheil MécaniqueNo.1

    Ballet Mécanique
    Um 1923 begann Antheil mit der Komposition seines Ballet Mécanique, das sein elementarstes, kraftvollstes und auch bedeutendstes Werk werden sollte. Es war ursprünglich als Begleitmusik zu einem maschinenhaft ablaufenden abstrakten Film von Dudley Murphy und Fernand Léger geplant. Die erste Fassung für 16(!) Pianolas scheiterte an der Unmöglichkeit, die Instrumente zu synchronisieren. Er schrieb das Werk daraufhin um für ein Pianola, zwei Klaviere, Schlagzeug, Telefonklingel, Sirene und Flugzeugmotoren. In dieser Instrumentierung erlebte es 1926 die emphatisch gefeierte Uraufführung im "Théatre des Champs Elysées" in Anwesenheit von James Joyce, Ezra Pound, Darius Milhaud, Ernest Hemingway, Nadja Boulanger, Marcel Duchamp und vielen anderen. Die amerikanische Erstaufführung 1927 in der Carnegie-Hall führte hingegen zu einem der größten Skandale der Musikgeschichte. Antheil benutzt das Player Piano vorwiegend perkussiv. Harte Dissonanzen, chromatische Cluster, Akkordballungen mit über 30 gleichzeitig angeschlagenen Tönen, variable Metren, ragtime-artige Sequenzen und permanente Wiederholungen unterstreichen die Maschinenästhetik. 1996 wurde das Werk in einer Fassung für zwei synchronisierte Player Pianos (J.H.), zwei Pianisten, Schlagzeug, Telefonklingeln u.a. unter der Leitung von Franz Lang aufgeführt (Trossingen, Baden-Baden, Freiburg, Völklingen, München). 1999 folgte eine Fassung für zwei Player Pianos, sechs Pianisten, Schlagzeug u.a. mit dem Ensemble Modern unter Peter Rundel (Wien, Köln, Frankfurt, Berlin, London). 1953 arbeitet Antheil das Werk nochmals um, wobei er auf das Pianola verzichtete und alle radikalen Stellen "entschärfte".

    George Antheil - Ballet Mécanique Roll 3

    George Antheil - Ballet Mécanique Roll 2

    George Antheil - Ballet Mécanique Roll 1

     

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    Michael Denhoff  (www.denhoff.de)

    Michael Denhoff wurde 1955 in Ahaus/Westfalen geboren. Er studierte bei Siegfried Palm und Erling Blöndal-Bengtsson Violoncello, bei Jürg Baur und Hans Werner Henze Komposition, sowie mit dem Denhoff-Klaviertrio beim Amadeus-Quartett Kammermusik.
    Von 1976 bis 1980 war er Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. 1984-85 Lehrauftrag für Tonsatz an der Universität Mainz. Heute lebt er als freischaffender Komponist und Cellist in Bonn. Dort war er von 1985-1992 Leiter des Akademischen Orchesters Bonn und ist seit 1992 Mitglied im Ludwig-Quartett Bonn. 1986-87 ermöglichte ihm das Villa-Massimo-Stipendium einen 1-jährigen Studienaufenthalt in Rom. 1996 Arbeitsstipendium „Villa La Collina” in Cadenabbia. 1997/99 Gastprofessur am Nationalen Konservatorium in Hanoi (Vietnam). 


    Für sein kompositorisches Schaffen erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a.: 1. Preise bei den Kompositionswettbewerben Hitzacker und Bergisch Gladbach, Förderpreise der Städte Stuttgart und Dortmund, des Landes Nordrhein-Westfalen und des Landes Niedersachsen, Bernd-Alois-Zimmermann-Preis und zuletzt den Annette von Droste Hülshoff Preis.
    Denhoffs umfangreiches Oeuvre umfasst gleichermaßen Klavier- und Kammermusik wie auch Werke für Orchester sowie eine Kammeroper. Zahlreiche CDs dokumentieren dieses Schaffen. 
    Im diesem Jahr ist Michael Denhoff Veranstalter der von ihm mit der Pianistin Susanne Kessel konzipierten, 50 Werkstattkonzerte umfassenden Reihe „Jahr-100-Klavier-Stücke”, die in Bonn stattfindet und einen chronologischen Rückblick über die Klaviermusik des 20. Jahrhunderts bietet.

    Inventionen I - III op. 88   (1999/2000) für Player Piano
    Wie vielen meiner Komponisten-Kollegen ist es auch mir ergangen: als ich erstmals die Studies für Player-Piano von Conlon Nancarrow hörte, war ich überwältigt von den schier unglaublichen Klängen und Strukturen dieser Musik.
    Schon damals hatte ich den Gedanken, die faszinierenden Möglichkeiten des selbstspielenden Klaviers einmal selber kompositorisch zu nutzen; abgehalten hat mich aber immer wieder das Gefühl, dass es fast unmöglich zu sein scheint, für dieses Instrument nach Nancarrow noch Neues zu finden, da das Universum seiner Studies nahezu alle Möglichkeiten ausgelotet hat. 
    Die ganz konkrete Bitte von Jürgen Hocker, für die Konzerte der Kölner Triennale ein neues Stück für sein Player-Piano zu schreiben, hat mich erneut darüber nachdenken lassen. Eine Möglichkeit sah ich darin, mich vornehmlich auf harmonische Aspekte der Musik zu konzentrieren, die bei Nancarrows Musik eine eher zweitrangige Rolle spielen, da er im Wesentlichen an den Möglichkeiten rhythmischer und kontrapunktischer Komplexitäten interessiert war. 
    So greifen meine Inventionen zwar auch an Bach anknüpfende und sie erweiternde kontrapunktische Techniken auf, aber im Zentrum meines Interesses steht (wie übrigens auch sonst in meiner Musik) das harmonische Denken. So trägt jedes der drei Stücke sein eigenes unverwechselbares harmonisches Gesicht:

    Nr. I ist eine Invention über eine bitonale Pentatonik, also eine in sich geteilte 10-Ton-Harmonik, bei der die beiden 5-Ton-Felder in ihren vier möglichen Grundgestalten zunächst nur die schwarzen Tasten (unten) und die weißen Tasten (oben) nutzen; dabei ist das 5-Ton-Feld der weißen Tasten in seinen Binnenintervallen je um eine kleine Sekunde gegenüber dem 5-Ton-Feld der schwarzen Tasten verengt. Diese Invention ist zweistimmig: Akkordisches über einem ostinaten Bass, dessen Tonfolge die vier Grundgestalten der 10-Ton-Harmonik in die Horizontale aufblättert.

    Nr. II ist eine Invention über eine sich sequenzierende, aufsteigende 4-Ton-Folge. Von den Intervallabständen dieser 4-Ton-Folge (große Terz, große Sekunde, kleine Terz, kleine Sekunde) ist die rhythmische Gestalt abgeleitet, die alle denkbaren Permutationen der Dauern 4-2-3-1 nutzt. Diese Invention ist vierstimmig und wird bestimmt von kanonischen Gestalten, die sich im metrischen Verhältnis von 4 : 5 : 6 : 7 überlagern.

    Nr. III ist eine Invention für zwei Player Pianos über eine Pan-Tonalität: alle zwölf Dur- und Moll-Dreiklänge erscheinen in den zwölf verschiedenen 6-Ton-Modi der einzelnen Stimmen. Diese Invention ist sechsstimmig und beginnt zunächst als Spiegelkanon. Die erste Stimme, im tiefsten Bass einsetzend, ist einstimmig und ihr 6-töniger Modus besteht aus den Dreiklangstönen von C-Dur und Fis-Dur, die zweite Stimme ist zweistimmig und ihr Modus besteht aus den Dreiklangstönen h-moll und f-moll, die dritte Stimme ist dreistimmig und ihr Modus besteht aus D-Dur und As-Dur, usw.. Nach etwa zwei Dritteln der Gesamtdauer dieser Invention kippen die sechs Stimmen plötzlich in ihren komplementären 6-Ton Modus: die erste Stimme also in den Modus aus d-moll und gis-moll, usw.
    Der anfängliche Spiegelkanon staucht jede neu einsetzende Stimme unmerklich, indem jede längere Note oder Pause jeweils um einen 16tel-Wert verkürzt wird. Ab dem Scheitelpunkt dieser Invention dreht sich auch hierin das Verhältnis der Stimmen untereinander um.

    Michael Denhoff - Aus12 Inventionen für Player Piano, No.8

     

    Michael Denhoff
     
    Marcel Duchamp (1887-1968)
     
    The bride stripped bare by her bachelors, even. Erratum musical 
    Die Musik nimmt in Duchamps Schaffen nur eine untergeordnete Rolle ein. Um 1913 entwickelte er ein Kompositionssystem, auf dem The bride stripped bare by her bachelors, even. Erratum musical beruht. Das System basiert  auf einem Zufallsprinzip: Durch einen Trichter fallen kleine Bälle in die Wagen eines vorbeifahrenden Spielzeugzuges. Die Reihenfolge der Bälle in den Wagen bestimmt die Tonhöhe und Länge der Noten. Die Komposition ist für ein mechanisches Klavier oder für ein anderes mechanisches Musikinstrument, das in der Lage ist, alle Noten des Stückes zu spielen, gedacht. 1977 wurde das Werk von Petr Kotik für Player Piano eingerichtet. 
     
     

    Kiyoshi Furukawa 

    Furukawa, der 1959 in Japan geboren wurde, studierte Komposition von 1974 - 1979 in Tokio bei Yoshiro Irino, von 1979 - 1984 an der Musikhochschule in Berlin bei Isang Yun und von 1984 - 1988 an der Musikhochschule Hamburg bei György Ligeti. 1991 war er Gast-Komponist der Stanford University in den USA. Anschließend mehrere Aufenthalte am Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM), wo er auch von 1995 bis 1999 ‘Artist in Residence’ war. 1991 gründete er das Music Media Lab in Hamburg. Seit 2000 ist Furukawa Associate Professor an der National Universität für Kunst und Musik in Tokio. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, Preise und Stipendien, u.a. den ‘Ensemblia’-Preis der Stadt Mönchengladbach (1983), den PRISMA-Preis, Hamburg (1990), ein Siemens Projekt-Stipendium (1992/93) sowie den Musikpreis des Norddeutschen Rundfunks (1994).
    Furukawas umfangreiches Schaffen umfasst multi-mediale und audio-visuelle Arbeiten, Musik für experimentelle Filme, Computermusik (elektroakustische und live-elektronische Musik), aber auch mehrere Kompositionen für konventionelle Besetzung wie z.B. Streichquartette, Klavier- und Orgelmusik sowie Orchestermusik. 

    12 Formen
    Teil 1: No. 1-6 
    Teil 2: No. 7-12

    Das Fernglas des Konzeptes
    Mein kompositorisches Denken wurde entscheidend durch den Computer geprägt. Würde man allerdings den Computer nur dazu verwenden, um z.B. den Klang einer Geige nachzubilden, dann hätte ich mich bestimmt nicht für den Computer interessiert. 
    Bei Nancarrows Schaffen scheinen mir zwei Aspekte besonders wichtig: Erstens: Die Verwendung des Player Pianos als Medium.
    Zweitens: Das Komponieren nach bestimmten Ideen und Konzepten.
    Das Instrument und die Konzepte sind untrennbar miteinander verbunden: Ja, es ergibt keinen Sinn, ohne Player Piano solche Ideen zu entwickeln. 
    Auch die Komposition "12 Formen" ist mit diesen zwei Aspekten eng verbunden. Ich setze den Computer hier quasi als "Fernglas des Konzeptes" ein. Man versucht, mit diesem Fernglas eine bestimmte Struktur zu sehen bzw. zu hören, die sehr weit entfernt ist und die sich hinter einer schlichten Idee als "mögliche oder denkbare" Struktur verbirgt. Es gibt musikalische Strukturen, aber auch Strukturen, die mit Musik nichts zu tun haben. Mathematische Algorithmen haben sicherlich nichts mit Musik zu tun, weil letztere ein kulturelles Phänomen ist. Aber Algorithmen liefern eine bestimmte Ordnung, der man folgen kann und die einen bestimmten Ausdruck ergibt. Ich suchte in den ’12 Formen’ eine besondere Art von Verbindung zwischen Struktur und Ausdruck, die erst durch unser aktives Hören entsteht.

    Kiyoshi Furukawa


    Anmerkung von J.H.:
    Letztendlich ging die Beschäftigung Furukawas mit dem Player Piano auf eine Anregung von György Ligeti zurück. Er schrieb mir 1988 nach einem Player Piano-Konzert in Hamburg aus Anlass seines fünfundsechzigsten Geburtstages: 

    Vielen Dank für das Angebot an meine Studenten [für Player Piano zu komponieren]. Ich habe es weitergegeben, und ich glaube, dass einer meiner Studenten sich bei Ihnen melden wird - Herr Kiyoshi Furukawa.

    Die ersten sechs Stücke von je etwa einer Minute Dauer schrieb Furukawa bereits 1995 und sie trugen die Bezeichnungen Symmetrie, Open & Close, Eschers Treppenhaus, Sinewave, Für Klee und Rock. Er schrieb damals: 
    Nach unzähligen Experimenten und musikalischen Produktionen mit Nicht-Linear-Strukturen (Fraktalen, Chaos, Attraktoren) bin ich auf eine ziemlich einfache Tatsache gestoßen: Nämlich, dass diese Strukturen nur deshalb nichts mit Musik zu tun haben, weil die Musik so eng mit unseren Hörgewohnheiten, d.h. der Musiktradition verbunden ist. Solche mathematischen Formeln und Prozesse können natürlich nicht diese kulturellen und traditionellen Anteile enthalten. Aber der Kern dieser mathematischen Prozesse ist eine Art Feedback-System, und die zugrunde liegende Denkweise oder das Prinzip ist der Musik und uns Komponisten nicht fremd. [...] Jedes Stück ist mit einer musikalischen Idee verbunden. Ich wollte hier keine große Form aufbauen. Wenn sich eine musikalische Idee ausreichend entfaltet hat, endet das Stück. Die meisten Stücke dauern deshalb weniger als zwei Minuten. 
    Die zweiten sechs Stücke entstanden 1999. Furukawa änderte daraufhin die Reihenfolge und verzichtete auf die Titel. 

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    Hans Haass (1897-1955)

    Geb. 15.9.1897 in Köln
    Studien am Kölner Konservatorium bei Carl Friedberg (Klavier) und Franz Bölsche
    (Komposition)
    1916: Gewinn des Ibach-Preises
    Ab ca.1918: Leiter einer Ausbildungsklasse am Krefelder Konservatorium
    Tätigkeit als Pianist und Komponist
    1925: Aufnahmeleiter der Firma Welte in Freiburg
    1932: Pianist am Reichssender Köln
    1938: Meisterklasse für Klavier an der Kölner Musikhochschule. Einer seiner Schüler ist Bernd Alois Zimmermann, der ihm sein erstes gedrucktes Werk ("Extemporale") widmet
    1947: Professor an der Musikakademie Detmold
    Gest. 22.9.1955 in Marienheide bei Köln

    Fuge in C-dur  Hans Haass Fuge in C

    Diese Kompositionen gehören zweifelsohne zu den bedeutendsten Originalwerken für Selbstspielklavier. Sie zeugen von einer detallierten Kenntnis der Möglichkeiten dieses Instruments. Dies wird verständlich, wenn man berücksichtigt, dass Haass zum einen eine fundierte Ausbildung als Konzertpianist hatte und und zum anderen ab 1925 Aufnahmeleiter der Musikwerkefirma Welte in Freiburg war. Dort spielte er über 300 Notenrollen sowohl mit klassischer Musik als auch mit Unterhaltungsmusik ein. Für letzteres benutzte er allerdings ein Pseudonym. Somit kannte Haass wie kein anderer die Möglichkeiten des Selbstspielklaviers, und er benutzte sie konsequent in seinen beiden Kompositionen.

                                

                         Fuge in C, Ausschnitt aus dem Lochstreifen               Ende der Fuge in C von Hans Haass.

    Das Unspielbare als kompositorische Idee! Hierzu schreibt er 1927: "Größte Beachtung jedoch verdient die bisher noch nicht ausgenutzte Verwendungsmöglichkeit eines unerhört raschen Tempos. Damit bietet sich dem Komponisten die Erfüllung einer ungehemmten Bewegungsfreiheit, die Erfassung absolut neuer rhythmischer Prägung." Haass negiert alle konventionellen Regeln des Klaviersatzes und gibt sich einer ungezügelten Spiellaune hin. Sieht man von dem irrwitzigen Tempo einmal ab, so beginnt die 1926 entstandene und 1927 beim Deutschen Kammermusikfest in Baden-Baden aufgeführte Fuge in C-dur nahezu konventionell; bald jedoch umranken rasende Tonkaskaden das allgegenwärtige Fugenthema, das nun behäbig im Bass oder in Form mehrstimmiger Akkorde erscheint. Vielstimmige Triller überschreiten bei weitem die manuellen Möglichkeiten eines Pianisten. Erstmals werden auch präzise, kontinuierliche Geschwindigkeitsänderungen verwendet. 

    Intermezzo Hans Haass - Intermezzo

    Das 1927 entstandene Intermezzo zeigt ebenfalls alle Vorzüge der C-dur-Fuge. Darüber hinaus haben jedoch graphische Gesichtspunkte an Bedeutung gewonnen. Neben vielstimmigen Akkorden und Läufen gibt es Sequenzen, die absolut spiegelsymmetrisch komponiert sind. Die Vielschichtigkeit geht bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit des pneumatischen Systems. Obwohl die beiden Kompositionen im Rollenkatalog der Firma Welte angeboten wurden, sind bisher nur die Original-Mutterrollen bekannt. Vermutlich wurden die Kompositionen direkt auf die Notenrolle komponiert und von Haass nicht in Notenschrift übertragen. (Die Übertragung vom Welte- auf das Ampicosystem wurde von J.Hocker und F.Bowdery durchgeführt.)

     

     
    Georg Hajdu (www.georghajdu.de)

    Georg Hajdu, geboren 1960 in Göttingen, gehört zu den ersten Komponisten seiner Generation, die sich systematisch der Verbindung von Musik, Naturwissenschaft und Informatik verschrieben haben. Er studierte in Köln bei Georg Kröll, Johannes Fritsch, Krzysztof Meyer und Klarenz Barlow sowie am Center for New Music and Audio Technologies in Berkeley (Kalifornien) und promovierte an der University of California mit einer multimedialen Bühnenkomposition (Libretto: Thomas Brasch). Nach Aufenthalten am IRCAM in Paris und dem ZKM in Karlsruhe gründete er 1996 mit seiner Frau, der Pianistin Jennifer Hymer, das Ensemble WireWorks, das sich auf die Live-Aufführung elektroakustischer Musik spezialisiert hat. Seit dem selben Jahr unterrichtet er Theorie und Musikmedien an der Hochschule für Musik Detmold, Abteilung Münster.
    Neben seinen vielfach mit Preisen bedachten Kompositionen (z.B. der IBM-Preis des Ensemble Modern für ‘Klangmoraste’), die von einer pluralistischen Haltung geprägt sind, schrieb Georg Hajdu Publikationen zu verschiedenen Themen im Grenzbereich von Musik und Naturwissenschaft. Zu seinen Interessen- und Forschungsgebieten gehören Mikrotonalität, algorithmische Komposition, Echtzeit-Interaktion und der Einsatz von Netzwerken in der Musik.

    Herzstück für Player Piano und Projektion
    Herzstück entstand 1999 während der Arbeit an meiner Oper ‘Der Sprung’ und könnte als ein Gesamtkunstwerk en miniature angesehen werden. Zugrunde gelegt wurde der genauso kurze wie berühmte Dialog von Heiner Müller:

    - Darf ich Ihnen mein Herz zu Füßen legen?
    - Wenn Sie mir den Fußboden nicht schmutzig machen
    - Mein Herz ist rein.
    - Das werden wir ja sehen.
    - Ich krieg es nicht heraus.
    - Soll ich Ihnen helfen?
    - Wenn es Ihnen nichts ausmacht.
    - Es ist mir ein Vergnügen.
    Ich krieg es auch nicht heraus.
    Ich werde es Ihnen herausoperieren.
    Wozu habe ich denn ein Taschenmesser?
    Das werden wir gleich haben. 
    Arbeiten und nicht verzagen.
    So, das hätten wir. 
    Das ist ja ein Ziegelstein!
    Ihr Herz ist ja ein Ziegelstein!
    - Es schlägt aber nur für Sie.

    Wie auch in meiner Oper ist die Verbindung von Musik und Sprache von besonderer Bedeutung: Hier wie dort wird ein gesprochener Text in verschiedenen Schritten in Musik umgewandelt. Die in Herzstück von den beiden computergesteuerten Player Pianos wiedergegebenen Klänge haben etwas irritierendes, da wir gleichzeitig den Text als Musik und die Musik als Text wahrnehmen, was durch die simultane Projektion des Textes noch verdeutlicht wird.

    Georg Hajdu

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    Marc-André Hamelin  www.marcandrehamelin.com

    Hamelin am Ampico-Bösendorfer in Bergisch Gladbach.

    wurde 1961 in Montreal/Kanada geboren. Er studierte an der Vincent-d'Indy School of Music in Montreal und an der Temple University in Philadelphia/USA. Seine wichtigsten Lehrer waren Yvonne Hubert, Harvey Wedeen und Russell Sherman.
    Marc-André Hamelin wird von der Fachwelt als bester kanadischer Pianist seit Glenn Gould anerkannt. Nach seinem triumphalen Sieg 1985 beim Carnegie Hall American Music Competition wurde er von Harold Schonberg, dem Klavierpapst der New York Times, als "Super-Virtuose" bezeichnet. 
    Nicht zuletzt wegen der Auswahl meist selten gespielter höchst anspruchsvoller Werke gilt Marc-André Hamelin als absoluter Klavierexzentriker. Sowohl seine Konzertauftritte als auch seine CD-Einspielungen gestalten sich zu einer wahren Entdeckungsreise für den Zuhörer. Werke von Alkan, Godowsky, Bolcom, Ives, Wolpe und Sorabji befinden sich ebenso in seinem Repertoire, wie die von Bach, Chopin, Liszt, Mozart, Schubert, Schumann, Scriabin und Rachmaninoff.
    Seine CD-Einspielungen wurden mit zahlreichen Preisen honoriert. So erhielt er 1992 für das Eckhardt-Gramatté-Album, 1994 für Alkans "Concerto für Klavier solo", 1996 für die Einspielung sämtlicher Sonaten Scriabins, 1997 für das noch vorhandene Klavierwerk Nikolai Roslavets und 1998 für die CD „The Composer Pianists“ den "Preis der Deutschen Schallplattenkritik". Für Alkans "Grande Sonate" und "Le Festin d'Esope" erhielt er den kanadischen "Juno Award 1996" für die beste Klassik-CD der Sparte Klavier. Diese CD wurde auch mit dem "Cannes Classical Award" ausgezeichnet.
    Hamelin steht exklusiv bei dem Label Hyperion unter Vertrag. Im Frühjahr 2000 sind CDs mit der Einspielung von Busonis Klavierkonzert und von Godowskys Transkriptionen der Chopin-Etüden erschienen.

    Paul Lenz

     
    Marc-André Hamelin, Circus Galop (Auszug)
     

    Circus Galop und Pop Music?   Marc-André Hamelin - Pop Music for Player Piano  

    Ich bin mit einem Player Piano aufgewachsen, denn meine Großeltern besaßen ein solches Instrument. Immer wenn ich sie besuchte, war es die größte Freude für mich, ihre Rollensammlung zu durchstöbern, und ich spielte mit Hilfe der Fußpedale bis zur völligen Erschöpfung ein Musikstück nach dem anderen.
    In späteren Jahren hörte ich von Nancarrow und seiner wunderbaren Art, dieses Medium zu nutzen und ich glaube, der Wunsch, für ein Player Piano zu schreiben entstand, als ich meine erste Nancarrow-Schallplatte kaufte. Aber erst 1991, als ich erstmals Jürgen Hocker besuchte und dabei sein riesiges Musikrepertoire für das Player Piano entdeckte, nahm der Wunsch, für dieses Instrument zu schreiben, Gestalt an, und die ersten Skizzen des Circus Galop entstanden unmittelbar nach diesem ersten Besuch.
    Das Stück ist in jeder Hinsicht maßlos übersteigert, was unter anderem zur Folge hat, dass es viel mehr Noten enthält, als das pneumatische System eines Player Pianos spielen kann, so dass die Komposition auf zwei Player Pianos verteilt werden musste. Jeder Zuhörer möge seiner Fantasie freien Raum lassen, obwohl der (kanonische) Mittelteil den Aufbau einer schwankenden menschlichen Pyramide darstellen soll. Die Coda stellt ebenfalls eine menschliche Pyramide dar, diesmal schwankt sie mit jeder hinzukommenden Person immer mehr und endet in einem verhängnisvollen Zusammenbruch. 
    Der Ursprung der Inspiration für Pop Music? Es war unser hiesiger Eiscrem-Wagen, der dieses Lied (das Volkslied ‘Pop goes the weasel’) unablässig spielte. Dies führte bei mir zu einer Obsession: das Lied ging mir nicht aus dem Kopf und es bekam dabei sogar einige Verzierungen (oder ‘Verunzierungen’ - je nach Standpunkt des Betrachters)! Der letzte Teil, in dem sich verschiedene Elemente bis zur völligen Sättigung übereinander schichten, wäre ohne Nancarrows Musik nicht möglich gewesen. 

    „Solfeggietto a cinque for Player Piano. After C. P. E. Bach“ (1999)  Marc-André Hamelin - Solfeggietto a cinque for Player Piano

    Ich erinnere mich nicht mehr genau, wie die Idee zu diesem ‚Solfeggietto‘ entstanden ist, aber es mag sein, dass sie etwas mit einem vierhändigen Arrangement zu tun hat, das ich von Webers Perpetuum Mobile (dem letzten Satz seiner C-Dur Sonate Op. 24) machen wollte, bei dem die ursprüngliche rechte Hand, die schnelle Sechzehntel spielt, von drei weiteren Stimmen, ebenfalls in Sechzehntelnoten, begleitet werden sollte. Ich brauchte nicht lange, um die Unmöglichkeit dieses Vorhabens einzusehen; das Risiko einer musikalischen und auditiven Übersättigung war offensichtlich. Aber im Fall dieses Solfeggiettos, bei dem sich fünf Stimmen allmählich akkumulieren, ist es die Wahrnehmung der Entwicklung und Verwandlung, die meiner Meinung nach das Stück besonders interessant macht. Für mich war es besonders faszinierend zu sehen, welche Wirkung die fünfte (oberste) Stimme auf die gesamte Struktur hat, wenn sie endlich einsetzt; gerade diese Passage macht auf ideale Weise deutlich, dass – wenn die Grundharmonien stark genug sind – die Musik selbst dann tonal klingt, wenn das vorherrschende Element (in diesem Fall die oberste Stimme) vollständig atonal ist. Ich darf noch hinzufügen, dass jeder einzelne Kontrapunkt in diesem Stück durchkomponiert ist, ohne sich auf Muster oder irgendwelche Wiederholungen von Bausteinen zu stützen.

                                                   Marc-André Hamelin (Übersetzungen: Beatrix und Jürgen Hocker)


     

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    Wolfgang Heisig  www.wolfgang-heisig.de

    Wolfgang Heisig spielt eine 'fußbetriebene' Phonola.

    Geboren 1952 in Zwickau. 1972-78 Klavier- und Kompositionsstudium an der Dresdner Musikhochschule, danach tätig als Bankkaufmann, Kirchenchorleiter, Barpianist, Musiktherapeut, Honorarlehrer. Seit 1990 Beschäftigung mit zeitgenössischer mechanischer Musik. 
    Phonolakonzerte in Österreich, Deutschland, Schweiz, Tschechien. 1992 Gründung des Kleinensembles ZWIRN zusammen mit dem Österreicher Andreas Jungwirth. Klaviernotenrollen-Edition (Nancarrow). Beteiligung an Ausstellungen mit grafischen Partituren in Annaberg-Buchholz, Berlin, Döbeln, Kiel, Plüschow, Riga.

    Ringparabel (1990)
    Zum Musikmodell Ringparabel vgl. auch den Phonolithen von W.Heisig und H.Mohr.
    Bei der Adaption der Ringparabel auf das mechanische Klavier nutzt Heisig konsequent die Möglichkeiten eines mechanischen Musikinstruments. Die Komposition umfasst zehn Spielvariationen aus dem Musikmodell, u.a. mit achtstimmiger Tempomatrix, 21 verschiedenen Tempi, bis 40 gleichzeitig erklingenden Stimmen, achtstimmigen großräumigen Tastenfeldrepetitionen und magischen Ton- und Tempoquadraten.

    KODE
    Es ist der Versuch, verschiedene Kodierungssysteme, wie z.B. Strichkode, Morsekode, Blindenschrift, Geheimschrift, Versfußzeichen musikalisch umzusetzen - zu transkribieren. Es ist auch: eine Klavier-Ode. Der Text von Schillers berühmtester Nicht-Ode (An die Freude) und verschiedene dodekaphone Versionen der ersten 12 Noten von Beethovens Schiller-Vertonung bilden das Reservoire für die formale und tonale Gestaltung. Zwei längere, durch das klingende Wort MODE “streng geteilte” Abschnitte, eine Nicht-Fuge, entwickelt aus dem chinesischen Zeichen für ZAUBER und die ersten 4 Zeilen des Schiller-Gedichts übersetzt in den Barcode 93 als 3-stimmiger Kanon, beschließen das Stück.

    Wolfgang Heisig

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    Tom Johnson

    Tom Johnson signiert nach der Uraufführung seiner Study 1 den Bösendorfer.

    Geb.1939 in Colorado/USA. Musikstudien an der Yale University und bei Morton Feldman.
    1972-82: Musikkritiker bei der Village Voice, New York 
    1972: Viertonoper
    Seit 1983 lebt Tom Johnson in Paris
    Tom Johnson ist ein Minimalist, der mit einfachsten Formen und Tonleitern arbeitet. Dabei steht allerdings oft ein logisches Prinzip im Vordergrund.

    Beginn von Tom Johnsons Study No. 1. Es handelt sich um 40-tönige Cluster, die langsam in Arpeggien übergehen.

    Study for Player Piano   Tom Johnson - Study for Player Piano #1


    "So viel Musik wie möglich - mit so wenig Aufwand wie nötig." Dieser Maxime folgte Johnson auch bei seiner ersten (und bisher einzigen) Komposition für Selbstspielklavier. Während andere Komponisten in zeitraubender Arbeit Loch für Loch in die Notenrolle stanzten, schneidet Johnson kurze oder längere Schlitze mit unterschiedlichen Neigungen in den Papierstreifen. Das Ergebnis sind Cluster oder chromatische Glissandi mit unterschiedlichen Einsatz- und Endpunkten sowie ab- oder zunehmenden Geschwindigkeiten. Die Neigungen der Schlitze und damit die Geschwindigkeiten wurden mit Hilfe eines Computerprogramms errechnet. 

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    Georg Kröll  www.georg-kroell.de

    Georg Kröll wurde 1934 in Linz am Rhein geboren, studierte an der Musikhochschule Köln Komposition bei Frank Martin und Bernd Alois Zimmermann sowie Klavier bei Else Schmitz-Gohr. Kröll lehrte Komposition und Musiktheorie an der Rheinischen Musikschule der Stadt Köln.

    Tagebuch für Klavier No. 73a und No. 85, Hommage à Messiaen
    Nicht der imaginäre medusenarmige Pianist, der keine grifftechnischen Probleme kennt und dessen rhythmische Präzision auch bei komplexen Strukturen nicht zu überbieten ist, war der Anlass, die Nummern 73b und 85 aus ‘Tagebuch’ für das Player Piano zu bearbeiten. Die beiden Stücke sind in ihrer Originalfassung durchaus von einem guten Pianisten zu bewältigen; es ist ihr Charakter, geprägt von mechanischen Abläufen, diese erstellt aus Kalkül und Zufall, der nach einer sozusagen emotionslosen Virtuosität und Perfektion verlangt. 
    Bei der Bearbeitung dieser Stücke für das Player Piano wurden an dem Original mehrere Veränderungen vorgenommen sowie neue Stimmen hinzugefügt, das heißt, die Stücke wurden unspielbar. 
    Ich danke Caroline Wilkins, die mich auf die Idee brachte, diese Stücke für das Player Piano zu bearbeiten und Jürgen Hocker, der sie gemeinsam mit mir realisierte. 

    Georg Kröll
     

    György Ligeti

    Geb. 1923 in Dicsöszentmárton in Rumänien
    1941-1943: Kompositionsstudien bei Ferenc Farkas in Klausenburg
    1945-1949: Studien bei Sándor Veress in Budapest
    1950-1956: Dozent an der Musikhochschule Franz Liszt in Budapest
    1956: Flucht aus Ungarn und zunächst Übersiedlung nach Köln (Arbeit im Studio für elektronische Musik des WDR), später nach Wien und Hamburg 
    Erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise

     

    György Ligeti trifft mit Jürgen Hocker in der Kölner Philharmonie die letzten Vorbereitungen zur Uraufführung einer seiner Klavieretüden für Player Piano. 1992. Foto: Louise Duchesneau
    György Ligeti trifft mit Jürgen Hocker in der Kölner Philharmonie die letzten

    Vorbereitungen zur Uraufführung einer seiner Klavieretüden für Player Piano. 1992.

    Foto: Louise Duchesneau

     

    György Ligeti und das Player Piano
    Nancarrows wegweisende Neuerungen blieben nicht ohne Folgen. György Ligeti, der erstmals 1980 die Bekanntschaft mit Nancarrows Studies for Player Piano machte, war fasziniert von der temporalen Vielschichtigkeit dieser Musik. 1982 schreibt er überschwänglich an einen Freund: "After the few Player Piano Studies of Nancarrow, I listened to, I affirm with all my serious judgement that Conlon Nancarrow is the absolutely greatest living composer. If J.S. Bach would been grown up instead with the protestant choral with blues, boogie-woogie and latine-american music, he would have composed like Nancarrow, i.e. Nancarrow is the synthesis of American tradition, polyphony of Bach and elegance of Strawinsky, but even much more: he is the best composer of the second half of this century". Während Nancarrow seine Musik dem Player Piano anvertraut, das auch die komplexesten Zeitverhältnisse, unspielbare Geschwindigkeiten und komplizierte Griffe klaglos ausführt, bevorzugt Ligeti den lebenden Interpreten und geht hierbei nicht nur an die Grenze des zur Zeit möglichen - er überschreitet diese Grenze mitunter. Ligeti wünschte eine Übertragung der für Interpreten geschriebenen Klavieretüden No. 1, 3 und 7-13 auf das Player Piano. Diese Versionen versteht er als eigenständige Formen und als eine "Hommage" an Nancarrow, die keine Konkurrenz für die Interpretation durch einen Pianisten darstellen sollen. Ligetis Continuum ist wegen seiner hohen Komplexizität nur auf einem zweimanualigen Instrument aufführbar und deshalb in seiner ersten Fassung für Cembalo konzipiert. Die Wiedergabe durch zwei präzise synchronisierte Player Pianos eröffnet auch bei dieser Komposition neue Klangperspektiven. 

    'Vertige' von György Ligeti. Gegenüberstellung von Partitur und Lochstreifen.

    Étude 14 A. "Colona Fara Sfarsit" György Ligeti - Étude pour Piano No.14a

    (Bearbeitung für Player Piano: Francis Bowdery)
    Ligetis Klavieretüden dürfen als konsequente Weiterentwicklung der Etüdentradition von Chopin, Liszt, Brahms und Rachmaninoff gesehen werden. All diese Komponisten gingen an die Grenzen des zu damaliger Zeit manuell möglichen. Dies trifft in ganz besonderem Maße auch auf die Klavieretüden von Ligeti zu, die - wie er gerne zugibt - von den unspielbaren "Studies for Player Piano" Nancarrows beeinflußt sind. Ähnlich wie bei Nancarrows "Studies" liegen die Schwierigkeiten bei Ligetis Etüden häufig im temporalen Bereich: mehrere Stimmen scheinen sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten zu bewegen. Obwohl für lebende Pianisten geschrieben, wünschte Ligeti ausdrücklich die Übertragung einiger seiner Etüden auf das Player Piano. Durch die dadurch erzielbare hohe Geschwindigkeit und Gleichmäßigkeit des Anschlags treten temporale Überstrukturen besonders deutlich hervor. Bei einigen Etüden regte Ligeti sogar "unspielbare" Bearbeitungen an: Oktavvervielfachung und Füllstimmen bis zur Nutzung der gesamten Klaviatur, extremes Legato oder schnelle Stakkato-Passagen im Pianissimo liegen jenseits der manuellen Möglichkeiten eines Pianisten. 
    Die extremen technischen Schwierigkeiten der 14. Etüde bewogen Ligeti, zwei Fassungen dieses Werkes zu schreiben: eine Version für Player Piano und eine weniger schwere Version für Pianisten. Ligeti schreibt hierzu: "Die Étude 13 A [diese Etüde wurde später von Ligeti in 14A umnummeriert] ist die erste Fassung der Étude 13 für Klavier. Im erwünschten Presto ist diese Fassung eher auf einem mechanischen Klavier zu realisieren. Ich gebe sie daher Herrn Dr. Jürgen Hocker, um sie auf seinem Player Piano aufzuführen....Die Aufführung durch einen lebendigen Pianisten ist ebenfalls möglich, bei entsprechendem Arbeitsaufwand." 

    Jürgen Hocker, Conlon  Nancarrow und György Ligeti bei einer Pressekonferenz

    in Köln aus Anlass des Festivals 'Nancarrrow und Ligeti in Köln', 1987.

    Foto: Gisela Gronemeyer.

    Étude No. 3. "Touches bloquées"
    (Übertragen für Player Piano von Francis Bowdery)
    Diese Etüde, bei der die von einer Hand stumm gedrückten und gehaltenen Tasten von der anderen Hand stumm überspielt werden, wurde ohne Änderung auf das Player Piano übertragen.

    Étude No. 8. "Fém"

    Étude No. 9. "Vertige"  Györy Ligeti - Étude pour Piano No. 9

    Étude No. 10. "Der Zauberlehrling" György Ligeti - Étude pour Piano No. 10

    Étude No. 11. "En Suspense"  György Ligeti Étude pour piano No.11

    Étude No. 12. "L`escalier du diable"  György Ligeti - Étude pour Piano No. 13 

    Étude No. 14a Version für Player Piano  György Ligeti - Étude pour Piano No.14a

     

    (Bearbeitet für Player Piano von Francis Bowdery)
    Diese Etüde ist in der bearbeiteten Form von Hand nicht spielbar.

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    Daniele Lombardi  www.danielelombardi.it

    Der 1946 in Florenz geborene Daniele Lombardi ist Komponist, Pianist und bildender Künstler. Seine Forschungsarbeiten über die Geschichte der Avantgarde im frühen 20. Jahrhundert genießen internationale Anerkennung. Zahlreiche, fast vergessene Kompositionen aus dieser Zeit hat Lombardi in seine Konzertprogramme aufgenommen und mit seiner musikwissenschaftlichen Arbeit ‘Il Suono Veloce - Futurismo & Futurismi in musica’ (Ed. Ricordi-Lim, Mailand 1996) ein grundlegendes Werk über die Musik des Futurismus in Italien und Russland vorgelegt. 
    Lombardi ist an Festivals und Ausstellungen in verschiedenen Ländern beteiligt, und er spielt für viele europäische Rundfunk- und Fernsehsender. Für ihn ist die pianistische Tätigkeit die Brücke zu seinem kompositorischen Werk, wobei sein besonderes Interesse dem Musiktheater gilt. Lombardi hat zahlreiche CD’s eingespielt und unterrichtet Klavier an der Musikhochschule in Mailand. 

    Toccata for Player Piano
    Die ‘Toccata for Player Piano’ ist meinem Freund Antonio Latanza gewidmet, einem bedeutenden Sammler von Klavierrollen und wichtigen mechanischen Musikinstrumenten. Durch ihn wurde mein großes Interesse am Player Piano geweckt, und in der Toccata wollte ich mit einigen der erweiterten Möglichkeiten des mechanischen Systems experimentieren wie zum Beispiel unspielbare Griffe oder die Spiegelung komplexer Muster. 
    Damit habe ich eine neue Klangwelt entdeckt, eine Welt, die sich durch die Klangmöglichkeiten des rein mechanischen Systems eröffnet und die außerhalb der Möglichkeiten eines Pianisten liegen, dem nur seine zehn Finger zur Verfügung stehen.
    Die 1986 entstandene Komposition wurde von Malcolm Robinson (Manchester, GB) auf Notenrolle übertragen und 1999 von Jürgen Hocker für das Ampico-Selbstspielklavier bearbeitet. 

    Daniele Lombardi

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    Krzysztof Meyer  www.sikorski.de/314/.../meyer_krzysztof.html

    Krzysztof Meyer wurde 1943 in Krakau geboren. Seit seinem fünften Lebensjahr lernte er Klavier spielen und nahm ab 1954 Unterricht in Theorie und Komposition bei Stanislaw Wiechowicz. Nachdem er die Chopin-Musikschule in Krakau absolviert hatte, studierte er an der dortigen Musikhochschule, wo er zwei Studiengänge mit Auszeichnung abschloss: 1965 erhielt er sein Diplom in Komposition bei Krzysztof Penderecki und 1966 sein Diplom in Musiktheorie. In den Jahren 1964, 1966 und 1968 studierte er jeweils für einige Monate in Frankreich bei Nadia Boulanger. 
    Von 1965 bis 1967 trat er als Pianist im "Ensemble für zeitgenössische Musik MW2" auf und konzertierte in Polen sowie in den meisten Ländern des europäischen Auslands. 
    Von 1966 bis 1987 unterrichtete Krzysztof Meyer Musiktheorie an der Staatlichen Musikhochschule (derzeit Musikakademie) in Krakau und stand von 1972 bis 1975 als Dekan dem Institut für Musiktheorie und Komposition vor. 
    Seit 1987 ist er Professor an der Musikhochschule in Köln, wo er eine Meisterklasse für Komposition leitet. Meyer hielt im In- und Ausland zahlreiche Vorlesungen über neue Musik, u.a. in der Sowjetunion, in Ost- und Westdeutschland, Österreich und Brasilien. Von 1985 bis 1989 war er Vorsitzender des Polnischen Komponistenverbandes.
    Krzysztof Meyer wurden zahlreiche Kompositionspreise zuerkannt, u.a. beim Wettbewerb junger Komponisten in Frankreich (1966), beim Wettbewerb junger polnischer Komponisten (1966), beim Fitelberg-Kompositionswettbewerb, Grand Prix Prince Pierre de Monaco (1970), Sonderauszeichnungen der Tribune Internationale des Compositeurs UNESCO in Paris (1970 und 1976), Preise des Kultusministeriums (1973 und 1975), Preis beim Warschauer Karol-Szymanowski-Wettbewerb (1974), Medaillen der Brasilianischen Regierung (1975 und 1977), Gottfried-von-Herder-Preis (1984), Preis des Polnischen Komponistenverbandes (1992), Alfred-Jurzykowski-Preis (1993) und Johann-Stamitz-Preis (1996). Meyer ist Mitglied der Freien Akademie der Künste in Mannheim. 1991/92 war er Composer in Residence bei der Kölner Philharmonie, 1996 Composer in Residence in Seattle.
    Krzysztof Meyers zahlreiche Kompositionen wurden in Europa und in Amerika aufgeführt, z.B. bei dem "Warschauer Herbst", der "Musicki Biennale Zagreb", dem "Holland Festival", dem "Musikprotokoll-Graz", dem "Aldeburgh Festival" und dem "Schleswig-Holstein" Festival. 
    Krzysztof Meyer schrieb 1973 die erste polnische Monographie zu Leben und Werk von Dmitri Schostakowitsch (deutsche Übersetzung 1996).

    Danuta Gwizdalanka

    Krzysztof Meyer, Les Sons Reyonnants, Partiturauszug.


    Les Sons Rayonnants
    Schon seit einigen Jahren spielte Krzysztof Meyer mit dem Gedanken, ein Stück für Player Piano zu schreiben. Im Verlauf vieler gemeinsamer Gespräche nahm die Idee mehr und mehr Gestalt an. Aktueller Anlass zur Realisierung war das Player Piano-Projekt der MusikTriennale. 
    Krzysztof Meyers ursprüngliches Konzept, ein oder zwei Player Pianos mit mehreren Holzbläsern - vorzugsweise Flöten in unterschiedlichen Stimmungen und Bauarten - zu kombinieren, scheiterte an den Schwierigkeiten der Aufführung. Er entschied sich dafür, live-Flöten durch geeignete Synthesizer-Klänge zu ersetzen.
    Die nun folgende gemeinsame Arbeit war zwar sehr zeitaufwendig, aber für das Werk im ‘status nascendi’ sicherlich optimal und immer spannend. Krzysztof brachte zur ersten ‘Arbeitssitzung’ ein Partiturmanuskript mit, das nur er selbst entziffern konnte. Da es mir deshalb unmöglich war, die Partitur ohne seine Hilfe in Midi einzugeben, diktierte er Tonhöhen und Tonlängen, die ich dann in den Computer eingab. Auftretende Irrtümer konnten sofort korrigiert werden, weil die Töne durch ein Soundmodul hörbar waren und Krzysztof durch sein absolutes Gehör jeden Fehler sofort erkannte. Musikalische Phrasen konnten sofort auf den Player Pianos gespielt, ggf. geändert und mit Pedal und Dynamik versehen werden. 
    Besondere Sorgfalt verwendete Krzysztof auf die Auswahl der geeigneten Computerklänge, für deren Erzeugung uns ein Synthesizer neuester Bauart zur Verfügung stand. Obwohl in der Komposition oft komplizierte Zeitverhältnisse wie Triolen, Quintolen, Heptolen u.a. verwendet wurden, stand für ihn immer das musikalische Ergebnis - der Klang - im Mittelpunkt. Häufig unterbrachen wir die Arbeit, und Krzysztof setzte sich zwischen die beiden Flügel und die Lautsprecher, und er hörte mit geschlossenen Augen und höchster Konzentration die bis dato entstandenen Abschnitte der Komposition. Wenn das Ergebnis nicht seinen musikalischen Vorstellungen entsprach, hatte dies natürlich Änderungswünsche zur Folge. Frappierend war sein musikalischen Gedächtnis - auch ohne Partitur konnte er meist genau die Nummer des Taktes angeben, in dem eine Korrektur notwendig war. Und wenn ich einmal hilflos vor dem Computer saß, weil die 24 Stimmen durcheinander geraten waren, dann hatte er in kurzer Zeit wieder Ordnung in das Chaos gebracht.
    An einem Arbeitstag, der durchaus zehn Stunden dauern konnte, entstand etwa eine Minute Musik, und er endete meist mit einer Kassettenaufnahme, deren sorgfältiges Abhören dann wieder verschiedene Änderungen zur Folge hatte.
    Die letzten Arbeitsphasen waren den dynamischen ‘Schattierungen’ gewidmet, und Krzysztof, der neuen Einflüssen gegenüber immer sehr aufgeschlossen war, schien letztendlich mit dem Ergebnis seines ersten Ausflugs in die mechanische Musik hochzufrieden. 

    Jürgen Hocker

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    Conlon Nancarrow (www.nancarrow.de)

    Geb. 27.10.1912 in Texarkana/Arkansas (USA)
    1929-1932: Erste Studien am Konservatorium in Cincinnati 
    1933-1936: Studien am Malkin-Konservatorium in Boston und Privatunterricht bei Walter Piston, Nicolas Slonimsky und Roger Sessions 
    1937-1939: Kämpft als Mitglied der Lincoln Brigade im spanischen Bürgerkrieg gegen das faschistische Franco-Regime
    1940: Emigration nach Mexico
    1947: Erwerb eines Player Pianos und Konstruktion einer Stanzmaschine
    1981: Erste Reise in die USA nach über 30 Jahren
    1982: Erste Konzertreise nach Europa zu Veranstaltungen in Hall, Köln und Paris. Ligeti moderiert einige diese Konzerte
    1987-1991: Mehrere Konzertreisen in Europa (Köln, Berlin, Hannover, Hamburg, Wien, Paris) mit einem Ampico-Bösendorfer-Selbstspielfügel
    1997 starb Nancarrow in Mexiko. 

    Conlon Nancarrow und Jürgen Hocker bei der Vorbereitung einer Konzertreise, 
    Bergisch Gladbach 1989.                                                         Foto: Beatrix Hocker

                                                                                                           


    Conlon Nancarrow - Ein Jahr Arbeit für 5 Minuten Musik...

    Um 1930 gerieten die nach der Jahrhundertwende so beliebten selbstspielenden Instrumente mehr und mehr in Vergessenheit, und sie wären sicher auch in der Versenkung geblieben, gäbe es da nicht einen recht eigenwilligen, aber dennoch genialen musikalischen Einsiedler in Mexico, der sein Lebenswerk dem "Player Piano" gewidmet hat: Conlon Nancarrow. Noch vor wenigen Jahren nur von einigen Insidern verehrt, gilt Nancarrow heute als einer der bedeutendsten Komponisten des 20.Jahrhunderts. In selbstgewählter musikalischer Isolation schuf er ein grandioses Werk für ein Instrument, das es eigentlich außerhalb der Museen gar nicht mehr gibt. 
    Nancarrow, der 1912 in Texarkana in den USA geboren wurde, emigrierte 1940 nach seiner Teilnahme am spanischen Bürgerkrieg nach Mexico, wo er noch heute völlig zurückgezogen lebt. Schon seine frühen Werke zeichneten sich durch extreme Anforderungen an die Interpreten aus, so dass sie kaum in einer für den Komponisten befriedigenden Weise aufgeführt werden konnten. Deshalb sann er darüber nach, wie er sich von den Unzulänglichkeiten eines Interpreten freimachen könne: Er erwarb ein Player Piano, ließ sich eine Stanzmaschine bauen, und er war seitdem unabhängig von den begrenzten manuellen Möglichkeiten eines Pianisten.

    Conlon Nancarrow, Auszug aus dem Lochstreifen der Study No.  47. Oben befinden sich fünf Temposkalen für fünf Stimmen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

    In der Folgezeit komponierte Nancarrow fast vier Jahrzehnte ausschließlich für das Selbstspielklavier. Er bezeichnete diese Kompositionen als Studies for Player Piano und nummerierte sie. Die frühen "Studies" zeigen seine enge Beziehung zum Jazz. Bald entwickelte Nancarrow jedoch seinen charakteristischen Stil: er maß den Zeitverhältnissen zunehmend größere Bedeutung bei. Tempo, Takt und Rhythmus dominieren über Melodik und Harmonik. Der Aufbau seiner Kompositionen ist oft relativ einfach: er bevorzugt die Kanon-Form. Dies gibt ihm die Möglichkeit, seine Zeitrelationen deutlicher und auch für den ungeübten Hörer wahrnehmbar zum Ausdruck zu bringen. Er erreicht hiermit eine Klarheit und Intensität der Darstellung, die an die Fugen Bachs erinnert. 
    Typische Merkmale seiner Werke sind schnelle Taktwechsel, unterschiedliche Taktmaße in verschiedenen Stimmen, stufenweise bzw. kontinuierliche Tempoänderungen oder verschiedene Tempi in mehreren Stimmen. Oft dient ein Ostinato als "Wegweiser" für komplizierte zeitliche Abläufe. Die Folgerichtigkeit und die Konsequenz, mit der Nancarrow neben Melodie und Harmonie die Zeit als dritte Dimension nutzt, machen die singuläre Bedeutung dieses Komponisten aus. Es spricht für den Genius Nancarrows, dass ihm trotz aller mathematischer Konzeptionen noch genügend Freiheiten für lyrische oder rhapsodische Passagen bleiben. 
    Nancarrow nahm somit die Möglichkeiten der Computermusik um Jahrzehnte vorweg. Diese "vorzeitige" Ausweitung der musikalischen Grenzen musste jedoch mit einem enormen Arbeitsaufwand erkauft werden: Die Stimmen einer Komposition mussten auf einem bis zu 20 Meter langen Papierstreifen auf den Bruchteil eines Millimeters konstruiert und mit der gleichen Präzision mit einer Handstanzmaschine gelocht werden. Für eine Komposition von fünf Minuten Länge benötigt Nancarrow etwa ein Jahr. Es spricht für Nancarrows Konsequenz, dass er sich - nachdem er die Möglichkeiten eines Player Pianos ausgelotet hatte - den noch komplexeren Kompositionen für zwei Player Pianos zuwandte, die zweifelsohne zu den grandiosesten Klavierkompositionen des 20.Jahrhunderts zählen. 

    Nancarrow an seiner Stanzmaschine in Mexico, 1989. Foto: Jörg Borchardt.

    Einige ausgewählte Studies: (Vollständige Liste aller Studies vgl. 'Nancarrows Studies...')

    Study for Player Piano No. 10   Conlon Nancarrow, Study for Player Piano No. 10

    Study No. 10 erinnert an einen Blues - es ist die letzte seiner Kompositionen, die durchgängig vom Jazz beeinflußt ist. Über einer Akkordfolge in der ‘linken Hand’ erklingt eine Bluesmelodie. Trotz der rhythmischen Komplexität ist dieses durchweg leise gehaltene Stück eine von Nancarrows eingängigsten Werken. 

    Study for Player Piano No. 20  Conlon Nancarrow, Study for Player Piano No. 20

    Bis zur Study No. 19 verwendete Nancarrow eine Stanzmaschine mit festem Vorschub, d.h. er konnte die Noten nur in einem festgelegten Raster ähnlich einem Taktsystem stanzen. Ab Study No. 20 benutzte er eine umgebaute Stanzmaschine, die es ihm ermöglichte, die Noten so zu stanzen, dass sie zu jedem beliebigen Zeitpunkt erklingen konnten. Study No. 20 ist eine achtstimmige Studie in Tonlängen, wobei die Tonhöhen sehr nahe beieinander liegen. Durch Überlagerung der einzelnen Stimmen ergibt sich ein komplexes Tongeflecht. Diese Komposition lässt sich nicht mehr in konventioneller Notenschrift notieren. Nancarrow benutzt für alle Töne Viertelnoten und zeigt die Tonlänge durch einen Strich hinter dem Notenkopf an. Als György Ligeti erstmals diese Study hörte, erkannte er sofort die Nähe zu seiner eigenen Musik: 

    "Es war ein ganz merkwürdiges Erlebnis. Ich höre ein Stück von Nancarrow, der nichts von meinen Stücken wissen konnte. Seine Studie 20 ist so wahnsinnig ähnlich zu meinem Stück ‘Monument’. Es ist fast dasselbe Stück mit einer ganz bestimmten Art von Diatonik, allmählich sich aufbauende Schichten, die sich gegenseitig verschieben, ich war zutiefst frappiert. Viel später, als ich Nancarrow getroffen habe, habe ich ihm Monument vorgespielt und er war auch total frappiert davon." 

    Study for Player Piano No. 25   Conlon Nancarrow, Study for Player Piano No. 25

    Diese Komposition gehört zu Nancarrows mittlerer Schaffensperiode und er verwendet darin - im Gegensatz zu seinen früheren und späteren Werken - keine Jazzelemente. Obwohl sie kanonische Elemente mit Stimmen unterschiedlicher Geschwindigkeit enthält, handelt es sich um keinen Kanon, sondern um eine rhapsodische Form. Study 25 gehört zu den einfalls- und abwechslungsreichsten Kompositionen Nancarrows. Arpeggierte Obertonreihen eröffnen das Werk, in dem alle Möglichkeiten des Player Pianos genutzt werden. Rasende Tonfolgen im Diskant im pianissimo erzeugen fein ziselierte Klangwölkchen von nie gehörter Anmut. Einige Klangaggregate legen die Vermutung nahe, dass Nancarrow beim Rollenzeichnen auch von graphischen Elementen beeinflußt wurde. Auffallend ist der häufige Wechsel der Dynamik sowie der Gebrauch des rechten Pedals. Das Stück endet mit einem Klangtornado, der durch das Anschlagen von bis zu 200 Tönen pro Sekunde bei gehaltnem rechten Pedal erzeugt wird.

    Study for Player Piano No. 33   Conlon Nancarrow, Study for Player Piano No. 33

    Study No. 33 ist ein zweistimmiger Kanon, wobei beide Stimmen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten laufen. Das Geschwindigkeitsverhältnis beträgt Wurzel aus 2 zu 2 (1.414..../2). Nancarrow benutzt hierbei erstmals eine ‘irrationale’ Geschwindigkeit, d.h. die Schichten haben keinen gemeinsamen Nenner. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten sind jedoch nicht auf die Stimmen fixiert - sie wechseln vielmehr zwischen den Stimmen. Die führt dazu, dass beide Stimmen gemeinsam beginnen und gemeinsam enden. Ruhig fortschreitende Akkordfolgen bestimmen in weiten Teilen den Charakter der Komposition, die nur gegen Ende lebhafter wird. Nancarrow hielt Study No. 33 für eine seiner bedeutendsten Kompositionen, aber er meinte einmal: 33 is one of my favorites, but no one else seems to agree with me. (33 ist eines meiner Lieblingsstücke, aber niemand anders scheint mir zuzustimmen.)

    Eines der beiden Marschall & Wendell Ampico-Player Pianos Nancarrows.

    Study No. 40a for Player Piano   Conlon Nancarrow, Study for Player Piano No. 40

    Bei diesem zweistimmigen Kanon laufen die Stimmen im Verhältnis der Naturkonstanten pi (3,142....) und e (2,718....). Die Komposition umfasst 2.500 Zeiteinheiten, die von Nancarrow als Skala auf der Notenrolle aufgezeichnet wurden. Bei der Einheit 341,5 setzt die zweite Stimme ein, um eine Dezime nach oben versetzt. Ein häufiges Element sind Glissandi, die in dieser Studie ausschließlich chromatisch verlaufen. 

    Study No. 40b for two Player Pianos 
    Die Aufführung von Nancarrows Kompositionen für zwei Selbstspielklaviere scheiterte bisher daran, dass es nicht möglich war, konventionelle Instrumente exakt zu synchronisieren. Abweichungen im Gleichlauf des pneumatisch betriebenen Windmotors, der zum Antrieb der Notenrolle dient, sowie Abweichungen in der Länge der Notenrolle infolge von Temperatur- und Feuchtigkeitsänderungen führen zwangsläufig zu Zeitdifferenzen. Ein wesentliches Element der Study 40b besteht jedoch darin, dass die Schlussakkorde beider Klaviere zusammenfallen. Um dies zu erreichen, war eine neue, absolut präzise Steuerung notwendig, die von dem Ingenieur Dr. Walter Tenten und dem Musikelektroniker Horst Mohr entwickelt wurde. Dabei sollten jedoch die Player Pianos so wenig wie möglich verändert werden, um die Originalität der Wiedergabe nicht zu beeinträchtigen. Die Rolle des Gleitbocks, der üblicherweise den Lochstreifen abliest, wird von 98 Elektromagneten übernommen, die ihrerseits von einem Computer angesteuert werden. Verfügen nun zwei Instrumente über einen analogen Steuermechanismus, dann wird - die richtige Software vorausgesetzt - die Synchronisierung möglich. Die Erstellung der Software erfolgte über einen von Horst Mohr konstruierten Notenrollenleser, mit dessen Hilfe es möglich ist, Notenrollen als Computerdaten zu speichern. Dieses Verfahren ermöglicht eine exakte Steuerung, ohne weitere Veränderungen an den Instrumenten vornehmen zu müssen. 
    Bei Study 40b spielen beide Klaviere die gleiche Komposition (40a). Klavier eins beginnt, wobei die Geschwindigkeit so einreguliert wird, dass die Study etwa 4 Minuten und 20 Sekunden dauert. Klavier zwei folgt mit einer zeitlichen Verzögerung von ca. 20 Sekunden in schnellerem Tempo, so dass diese Stimme nach 4 Minuten endet. Während zu Beginn des Stückes die beiden Klaviere scheinbar unabhängig voneinander spielen, weil das "Erinnerungsvermögen" des Ohres kürzer als 20 Sekunden ist, schreitet die Annäherung während des Spiels der beiden Instrumente immer weiter fort, bis beide Klaviere im Schlussakkord zusammenfallen.

    Study for Player Piano No. 46   Conlon Nancarrow, Study for Player Piano No. 46

    Zu Beginn wird einstimmig das thematische Material vorgestellt, unterbrochen jeweils durch Oktavklänge. Nach und nach überlagern sich die Stimmen, wobei die meist im Stakkato geführten Diskantstimmen den schwer schreitenden Legatostimmen, die bis zu 5-fach oktaviert sind, gegenübergestellt werden. Im Mittelteil folgt eine Sequenz, in der die Stimmen in unterschiedlicher Geschwindigkeit geführt werden. Bemerkenswert auch die in absoluter Präzision geführten übermenschlich schnellen Oktavparallelen.

    Study No. 49a  Conlon Nancarrow, Study for Player Piano No. 49a

    Hierbei handelt es sich um einen dreistimmigen Canon, bei dem die Stimmen im Geschwindigkeitsverhältnis 4:5:6 geführt werden. Die erste Stimme beginnt mit einem rhythmisch prägnanten, vom Jazz beeinflussten Thema. Es folgen nacheinander die zweite und dritte Stimme, die nun der ersten Stimme mit höheren Geschwindigkeiten nacheilen, und diese beim Schlusston, dem letzten Ton eines 22-tönigen Arpeggios, einholen.

    Der Restaurator Jörg Borchardt restauriert 1989 Nancarrows Player Pianos in Mexico. Foto: Yoko Nancarrow.

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    Carlos Sandoval (www.carlos-sandoval.de)

    Geb. 1956 in Mexico City
    Ab 1975: Studien an der National School of Music (Gitarre und Komposition)
    1986-1990: Kompositionsstudien bei Julio Estrade
    1989: Teilnahme am "Second International Workshop" in Les Ateliers UPIC, Frankreich
    1990: Teilnahme an den Internationalen Ferienkurse in Darmstadt
    1990: Composer-in-Residence in Les Ateliers UPIC, Frankreich
    1990: Coordinator der internationalen Konferenz "Ano 2000- Alternativas Téoricas, Tecnologicas y Compositionales, Mexico City
    Von 1991-1993 ‘Assistent’ Nancarrows

    Fast Piece for Player Piano (1992)
    Diese Komposition, die aus mehreren unterschiedlichen Abschnitten besteht, entstand in Nancarrows Studio in Mexico City. Obwohl in hohem Maße von Nancarrow beeinflußt, versucht Sandoval einen eigenen Stil zu entwickeln. So benutzt er zwar die hohe Präzision als inhärente Möglichkeit des Player Pianos, verzichtet aber z.B. auf kontinuierliche Geschwindigkeitsänderungen und polytemporale Elemente. Ostinate Bassfiguren, die später in die Mittellage und in den Diskant wandern, werden von "Melodiestimmen" überlagert. Akzentuierten Akkorden folgen rasende zweistimmige Sequenzen, wobei die Oberstimme Stakkato und die untere Stimme Legato geführt werden. Dabei spielen auch graphische Gesichtspunkte eine entscheidende Rolle.

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    Steffen Schleiermacher  www.schleiermacher-leipzig.de

    Steffen Schleiermacher präpariert vor einer Uraufführung den Ampico-Bösendorfer des Autors.

    Geboren 1960 in Halle, seit 1966 Klavierunterricht, von 1968 bis 1978 Mitglied im Stadtsingechor Halle. 1978 Abitur, von 1980 bis 1985 Studium an der Musikhochschule ”Felix Mendelssohn-Bartholdy” Leipzig in den Fächern Klavier (Gerhard Erber), Komposition (Siegfried Thiele, Friedrich Schenker) und Dirigieren (Günter Blumhagen). 1986/87 Meisterschüler an der Akademie der Künste Berlin bei Friedrich Goldmann (Komposition). Seit 1988 freischaffend in Leipzig tätig.
    1989/90 Zusatzstudium an der Musikhochschule Köln bei Aloys Kontarsky (Klavier). 1989 Gründung des Ensemble Avantgarde.
    Seither Konzert- und Vortragsreisen durch viele Länder Europas, Amerikas und des Fernen Ostens, dazu zahlreiche CD-Aufnahmen bei verschiedenen Firmen (Hat Art, cpo, ITM,  Wergo, Musikproduktion Dabringhaus & Grimm).
    1985 Preis beim Gaudeamus-Wettbewerb ,1986 Kranichsteiner Musikpreis, 1988 Mendelssohn-Stipendium des Ministeriums für Kultur der DDR, 1989 Hanns-Eisler-Preis des Rundfunks der DDR für ”Konzert für Viola und Kammerensemble”.
    1989/90 Stipendium des Deutschen Musikrates, 1991 Preis der Christian und Stefan Kaske Stiftung München, 1992 Schneider-Schott-Preis der Stadt Mainz (mit dem Ensemble Avantgarde), 1992/93/94/97 Kompositionsstipendien der Stiftung Kulturfonds, 1992 Stipendium für die Deutsche Akademie Villa Massimo Rom, 1997 Stipendium der Japan Foundation für einen mehrmonatigen Studienaufenthalt in Japan. 1999 Stipendium für einen halbjährigen Aufenthalt in der Cité des Arts Paris.
    Steffen Schleiermacher arbeitet als Pianist, Komponist, Dirigent, Musikdramaturg und Organisator von Festivals für zeitgenössische Musik. 
    Seit 1996 arbeitet er u.a. an der Gesamteinspielung des Klavierwerkes von John Cage. Die bisher erschienen CD’s erhielten in Italien, Frankreich, den USA und in Deutschland (u.a. Echo Klassik 98 und 99) zahlreiche Preise. 

    Steffen Schleiermacher


    ‘Four Pieces for player piano and prepared player piano’
    ‘Four Pieces for player piano and prepared player piano’ entstanden 1999 auf Anregung von Jürgen Hocker. Kennengelernt habe ich die Möglichkeiten des Player Pianos natürlich durch die Beschäftigung mit den Kompositionen von Conlon Nancarrow (vor allem das Anhören!). Meine Idee war es nun, einerseits die Möglichkeiten des Player Pianos (durchaus augenzwinkernd) zu nutzen, andererseits aber auch die Klangfarben durch Präparation zu verändern, so dass quasi ein unpräpariertes Player Piano einer Art ‘Percussion Player Piano’ gegenübersteht. Die Präparierung für alle 4 Stücke bleibt gleich, jedes der Stücke nutzt nur andere Möglichkeiten bzw. Klangverbindungen. 
    Natürlich habe ich vor allem die Aspekte Geschwindigkeit und rhythmische (metrische) Präzision beim Komponieren im Blick (im Ohr) gehabt, der maschinelle Charakter der Stücke, der zuweilen gar an Techno erinnern könnte, erschien mir allerdings beim Komponieren eben für eine Maschine als durchaus sinnvoll. 

    Zu Björks://prep@ared pl@yer pi@no p@ir pop p@s@c@gli@ hat mich natürlich das Anhören einer CD der isländischen Pop-Ikone angeregt - es ist aber kein Versuch des Adaptierens eines bestimmten Titels oder gar der Stimme von Björk. Über einem zwischen Stottern und Stampfen wechselnden ‘Techno-Baß’ (drums & bass) etabliert sich in mehreren Versuchen eine eher schlicht harmonisierte Melodie, die immer wieder unterbrochen wird durch wilde (jazzige?) Einschübe, percussive Repetitionen und auch einer augenzwinkernden Hommage an Ligetis Klavieretüden. Seltsame Symbiosen!

    The Young DJ at the Old Academy wechselt zwischen metrischer Schlichtheit (die allerdings hie und da etwas aus dem Gleis kommt vor lauter Gradlinigkeit) und konfusem Treiben mit hohem Dichtegrad und geringer Überschaubarkeit. Auch wenn sich beide Elemente paaren, wird die Situation nicht wesentlich klarer, die Schlichtheit gibt auf und zieht sich zurück, das konfuse Treiben strauchelt und löst sich in Wohlgefallen auf. Und am Ende ein richtiger Schluss! 

    The Loneliness of the Key in the Lock ist dem Schlüsselbund gewidmet. Das kurze Intermezzo verfolgt nur eine einzige Idee: Die ‘feindliche Übernahme’. In die Idylle (naja?) des unpräparierten Klaviers fallen bald die ersten Schatten, bis das präparierte Klavier sich zunehmend einmischt, alles überlagert, schließlich das unpräparierte völlig verdrängt und am Ende als Sieger doch nichts anderes macht als das unpräparierte am Anfang. Ein irgendwie bekannter Vorgang? 

    Black Beauty’s Clockwork hat nichts mit dem Jung-Mädchen-Pferdchen zu tun. Glaube ich. In diesem etwas komplexeren Stück sind nach und nach verschiedene rhythmische und metrische Ebenen übereinander getürmt: Am Anfang vertreibt ein ständig wechselndes schnelles Ostinato jeden Gedanken an heimeligen Viervierteltakt, der nichts desto trotz versucht, sich mit einer ziemlich einfältig daherkommenden Melodie zu etablieren. Auch ‘drums & bass’ aus Björks p@s@c@gli@ meldet sich kurz zu Wort - zwar im falschen Tempo, doch der Wille stehe für die Tat, diverse Verzier- und Dichtungselemente verschönern dann noch das Chaos... Nach einer wilden Cluster-Schlacht (der show down at high noon) endet alles in einem lustigen (?!) Kehraus - wir tun, als sei nichts gewesen und machen einfach so weiter! 

     

    „Fünf Stücke für Player Piano“ (1997/2004)

    Uraufführung am 26. Mai 2007 anlässlich des „Klavier-Festival Ruhr“ in der Philharmonie Essen.

    ·         „Am Liegetisch“  Steffen Schleiermacher - Am Liegetisch

    ·         „Kindermädchens Kanonenofen“  Steffen Schleiermacher - Kindermädchens Kanonenofen

    ·         „Von der reich gedeckten Tafel“  Steffen Schleiermacher - Von der Reich gedeckten Tafel

    ·         „Der zornige Ei(f)sschrank“   Fünf Stücke für eine Jahrmarktorgel No.5, Fassung für Player Piano Der zornige Ei(f)sschrank

    Die Fünf Stücke komponierte ich ursprünglich für eine Jahrmarktorgel – also eine Art Orchestrion. Das Siemens Arts Program animierte und beauftragte seinerzeit einige Komponisten, sich mit solcher Art Geräten zu beschäftigen. Das Orchestrion kann vieles spielen, was ein Interpret nicht kann. Aber kaum ein Instrument ist für mich durch seine Bestimmung und seine Geschichte, seine ‚Aura‘ bereits so besetzt wie diese Jahrmarktsorgeln; der (ständig etwas verstimmte) Klang lässt ganz bestimmten Assoziationen ihren Lauf, die sich bald verbinden mit einem vagen Geschmack von Erdbeereis, Bratwurst und Zuckerwatte; Losbuden, Karussells und Schießbuden treten vor mein geistiges Auge. Ganz abgesehen vom Aussehen des Gerätes selbst: bunt bemalt, mit Dirigent und sich drehenden Girls. Dafür ernsthaft – quasi absolut – komponieren? Einerseits die Fähigkeiten des Instruments: fast unbegrenzte Geschwindigkeit, Komplexität der Rhythmen, keine Rücksicht auf jegliche manuelle Spielbarkeit, andererseits aber die sehr begrenzte Auswahl von Klangfarben und kaum dynamische Differenzierungsmöglichkeiten. Das erschien mir nur möglich mit leisem ironischem Augenzwinkern. Ich nahm es also als eine Gelegenheit, Komponisten, die zuweilen Unmögliches von ihren Interpreten verlangen (oder sich deshalb auf selbstspielende Musikinstrumente jeglicher Art konzentrieren), etwas aus der Werkstatt zu stibitzen und einige ihrer Ideen auf ein Instrument zu übertragen, an das sie vermutlich nicht im Traume gedacht hätten (höchstens im Alptraum …). So entstanden fünf kurze Stücke, quasi ein musikalisches Einrichtungshaus (‚Postmodern! Postmodern!‘ ruft da ein Musikkritiker dazwischen) – die Namen der (liebevoll) karikierten Ideen-Geber sind im jeweiligen Titel verborgen, mal einfacher, mal schwieriger zu erkennen. Auf Anregung von Jürgen Hocker – der natürlich seinerzeit bei dem Orchestrion-Abenteuer schon seine Hände mit im Spiel hatte – und im Auftrag des Klavier-Festival Ruhr habe ich die Fünf Stücke für das Player Piano adaptiert. Wobei das Wort ‚Adaptieren‘ den Sachverhalt nur unvollkommen trifft: Im Grunde sind es Neukompositionen – nach ‚Motiven‘ und ‚Ausgangsideen‘ sicher, doch im eigentlichen Tonsatz nunmehr den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Player Pianos angepasst.                 

    Steffen Schleiermacher

    Eine bei TalkM unter der Nr. 1008 erschienene CD enthält die vom Siemens Arts Program (damals Siemens Kulturprogramm) in Auftrag gegebenen Kompositionen für Jahrmaktorgel ‘Kleine Kuttel-Daddeldu-Musik’ von Detlev Glanert, Studie für Orchestrion ‘Die Dame dreht sich permanent’ von Peter Michael Hamel, fünf Stücke von Steffen Schleiermacher (Am Liegetisch, Kindermädchens Kanonenofen, Von der reich gedeckten Tafel, Der zornige Ei(f)sschrank und Xenias Kissen), ‘WOLKEN.BILDER’ von Gerhard Stäbler und ‘Arlecchino rabbioso’ von Jörg Widmann.

    SiK2Cl2Mn for Player Piano

    Auftragskomposition von Bayer Kultur 2009.  Steffen Schleiermacher SiK2Cl2Mn for Player Piano


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    Daniel N. Seel  www.danielseel.info/home.htm

    Geboren am 11.11.1970 in Saarbrücken. Studium an der Staatlichen Hochschule für Musik Karlsruhe bei Günter Reinhold (Klavier), Wolfgang Rihm und Walter Zimmermann (Komposition), an der Seoul National University in Südkorea bei Sukhi Kang (Komposition) und in der Abteilung für Traditionelle Koreanische Musik. Meisterstudium an der Hochschule der Künste Berlin bei Walter Zimmermann. Meisterkurse bei Elza Kolodin, Edith Picht-Axenfeld und Peter Feuchtwanger. Studien in traditionellem koreanischem Operngesang (P´ansori). 
    Rege Konzerttätigkeit als Solist in Europa, Korea und den USA. Zahlreiche Uraufführungen von Werken der Komponisten Roland Aley, Sebastian Claren, Josef Matthias Hauer, Markus Hechtle, Yong-Shil Park, Andreas Raseghi, Walter Zimmermann u.v.a. 1996/97 Pianist und Musikalischer Leiter des Regina Baumgart Tanz-Ensembles. 1998 Initiator und Künstlerischer Leiter des "Studio 99 Berlin".
    Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Korea-Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Stipendiat der Heinrich-Strobel-Stiftung des Südwestfunks. Award des Yvar-Mikhashoff-Trust for New Music.
    Daniel N. Seels kompositorisches Werk umfasst sowohl Stücke für konventionelle Instrumente (Klavier, Streich- und Blasinstrumente, Orchester) als auch Kompositionen für elektronische bzw. computergesteuerte Instrumente. 
    Daniel N. Seel lebt zur Zeit in Mandelbachtal-Habkirchen und in Il-San, Südkorea.

    Herangang II
    Entstanden in Karlsruhe-Seoul 1993-95, rev. Habkirchen 1997/99.
    Nachdem ich im Jahre 1993 das Klavierstück "Herangang" über das gleichlautende, kürzeste Heraklit-Fragment mit einem offenen Ende abgeschlossen hatte, setzte sich in meinem Kopf ein Klang fest, den ich in den folgenden zwei Jahren (ebenfalls für "Handspielklavier") in der Zeit entfalten wollte, wobei zahlreiche Blätter mit einer Art ultravirtuoser Minimal-Musik beschrieben wurden, die ich nach und nach allesamt verwarf, da sie nicht "auf den Punkt kamen", nämlich jenen, den "verinnerlichten" Akkord in einer Weise in ihm angemessenen Geschwindigkeiten darzustellen, dass er sozusagen von verschiedenen Hörwinkeln aus in Ohrenschein hätte genommen werden können.
    1995 bot sich schließlich die Möglichkeit, anläßlich der Karlsruher "multimediale" und der Baden-Württembergischen Hochschultage ein Stück für den Bösendorfer SE-Computerflügel zu erarbeiten, und so entstanden die ersten beiden Versionen von "Herangang II", der dreiminütige Ausschnitt "Homer war Astrolog" (ein weiteres Heraklit-Zitat in der Übersetzung Bruno Snells), und die komplette Fassung mit einer Dauer von circa elf Minuten. 
    Wie so oft in meiner Musik, geschah auch hier der Durchbruch der Komposition durch den Verzicht auf alles Überflüssige. Übrig blieben lediglich der Akkord im mittleren Register und seine Aufwärtsarpeggierung über die gesamte Klaviatur, sowie die Verlangsamung eines repetitiven Prozesses hin zu immer größerer Transparenz über zahlreiche unkalkulierbare und sich farblich stets ändernde Zwischenstufen. Da sonst nichts weiter geschieht (bis auf das Ende) hat man viel Zeit, in die Resonanzen des Klaviers hineinzuhorchen.
    Jürgen Hocker, der bei der Karlsruher Uraufführung des Stückes anwesend war, regte an, neben anderen Originalkompositionen auch eine Fassung von "Herangang II" für das Player Piano herzustellen. Vieles von dem, was der Computerflügel nicht kann, ist mit zwei Player Pianos realisierbar. So ist denn in drei Etappen (1997/1999/2000) ein weiteres Stück entstanden, das ein stufenloses ritardando enthält, deutlich anders klingt als die Version für Computerflügel und zudem auch noch auf die Gesamtspielzeit von genau 11’11’’ kommt. 

    Daniel N. Seel

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    Gerhard Stäbler     www.gerhard-staebler.de

    Gerhard Stäbler, 1949 geboren in Wilhelmsdorf bei Ravensburg in Süddeutschland, studierte Komposition bei Nicolaus A. Huber und Orgel bei Gerd Zacher in Detmold und Essen. Der "Cornelius Cardew Memorial Prize" (1982) war die erste in einer langen Reihe von Auszeichnungen, von Preisen, Kompositionsaufträgen und Stipendien in Amerika, Asien und Europa, die Gerhard Stäbler bislang erhielt. Von Anfang an war er nicht nur als Komponist aktiv, sondern er engagierte sich auch politisch und auf organisatorischem Gebiet, z. B. bei der Veranstaltung von "Aktive Musik"-Festivals mit Neuer Musik nicht nur im Ruhrgebiet, sondern u.a. auch in New York und in Portugal, sowie als künstlerischer Leiter der Weltmusiktage ‘95 der "Internationalen Gesellschaft für Neue Musik" und der LandMarks ‘99 im Ruhrgebiet. Eine dritte wichtige Tätigkeit liegt im pädagogischen Bereich: in Workshops und Seminaren für Komposition und Improvisation arbeitete Gerhard Stäbler bereits mit jungen Musikern aus vielen Ländern. Als Composer-in-Residence und Gastprofessor wirkte er zeitweise u.a. in Nord- und Südamerika und im Nahen und Fernen Osten. Stäblers Musik bricht oft aus dem konventionellen Rahmen heraus, indem er Elemente in seine Kompositionen mit einbezieht, die die herkömmliche Aufführungssituation (und damit die übliche Publikumserwartung) durchbrechen, sei es durch Gesten oder Bewegungen im Raum, durch Licht- und Duftgestaltung oder aktives Einbeziehen des Publikums; immer kommt es ihm darauf an, die Phantasie anzuregen, über Ohren und andere Sinne zu sensibilisieren für neue, unerwartete Möglichkeiten in Wahrnehmung und Denken. 

      Hella Melkert
     

    ‘playmanic’ für zwei Player Pianos1998/99
    Ende November 1993 brach ich zu einer ungewöhnlichen Reise auf, die mich über Banff, dem extravaganten Kur- und Kulturzentrum in den Rocky Mountains der kanadischen Provinz Alberta unweit der Stadt Calgary gelegen, nach Mexiko zu den Weltmusiktagen und über Chicago wieder zurück nach Europa führte. Die Temperaturen des nord- bis mittelamerikanischen Kontinents spielten dabei „Börse“: Von 16 Grad plus sackten sie – eingeleitet von einem Schneesturm – innerhalb weniger Stunden auf minus 30 und erhitzten sich dann nach Ankunft in Mexico City auf knapp 30 Grad plus, um dann – am Ende der Tour in Deutschland - wieder auf nasskalte 0 Grad zu fallen. Nicht weniger kontrastierte das Kulturelle. In Calgary, wo notgedrungen (?) die Heizung von Trottoirs angeworfen wurde, war ich zu Gast bei der Bestsellerautorin Aritha van Herk: großes Haus, up-to-date-Kunst, fast food und – Ringen um ein „heißes“ Thema, vielleicht Verwicklungen um eine Kaisertochter in Prag? …oder sollte die Geschichte nicht doch gegenwärtiger sein? 

    Abgesehen davon, dass ich hier wohl der falsche Gradmesser war, schienen die mexikanischen Vorbereitungen auf Weihnachten alles wegzuwischen, auch die Gespräche über neue Musik, neues Musiktheater in Banff oder die Proben an einer verwickelten Kammeroper des Kanadiers Christopher Butterfield. In für uns sommerlicher Hitze wurde im Zentrum von Mexico City überall Christbaumglitter ausgebracht, überdimensional groß, und bedenkenlos künstlich. Das Treiben in den Straßen der Stadt strafte all diese Bemühungen Lügen, obwohl sie zu diesem „Treiben“ gehörten wie der Smog, der endlose Verkehr mit den unzähligen dreisitzigen VW-Taxis, die lauten Mariatchis in Kneipen oder – doch auch – die fast zufällig in Museen und Innenhöfen von Klöstern verstreuten Konzerte der damals in Lateinamerika erstmalig veranstalteten Weltmusiktage der ‘Internationalen Gesellschaft für Neue Musik’. 

    Einem, der diese „Umtriebigkeit“, das Hin- und Her von Möglichem und Unmöglichem, von „Organischem“ und „Mechanischem“, von menschlichen Fähigkeiten und Utopien auf besondere Weise zum Thema gemacht hatte, Conlon Nancarrow, galt ein Portraitkonzert während des Festivals. Seiner Musik galt meine Faszination, erst recht aber danach ihm, als ich ihn zu Hause besuchen konnte, ihm, der trotz evidenter Gebrechlichkeit ein Player Piano nach dem anderen anwarf, eine Rolle nach der anderen einlegte, um seine gestanzten „Kommentare“ zu einem Leben abzugreifen, das ihn ins Exil nach Mexiko trieb. playmanic ist eine Hommage an Nancarrow und Erinnerung an meine Begegnung mit ihm. Es gestaltet Räume des Klaviers, legt sie aus, wie Bach es in seinen Solowerken beispielsweise für Violine und Violoncello tat, „verschlingt“ sie und „durchfährt“ sie in bisweilen extrem schnellen, bisweilen extrem langsamen (und im Detail wieder ziseliert aufgefächerten) Bewegungen. 

    Nach der 1997 vom Siemens Kulturprogramm München in Auftrag gegebenen Komposition „WOLKEN.BILDER“ für eine Jahrmarktorgel setzt playmanic die Auseinandersetzung mit „Mechanischem“ fort, die sich bereits Mitte der 80er Jahre in der multimedialen Komposition „Die Spieldose“ manifestierte, Michail Saltykow-Stschedrins Figur des Stadthauptmanns von Dummshausen, der anstelle des Gehirns eine Spieldose im Kopfe trug, reflektierend. 
    playmanic für zwei Player Pianos bzw. einen oder mehrere Flügel mit einem Player Piano entstand 1998/99 auf Anregung von Jürgen Hocker, dem für seine kompetente Unterstützung und Umsetzung der Partitur herzlicher Dank gebührt.

    Gerhard Stäbler

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    James Tenney

    James Tenney an dem Ampico-Fischer Flügel des Autors (1996).

    Geb. 1934 in New Mexico
    Erster Klavier- und Kompositionsunterricht in Arizona und Colorado
    1952-1954: Studien an der University of Denver
    1954/55: Julliard School of Music
    1958: B.A. am Bennington College
    1959-1961: Weiterführende Studien an der University of Illinois
    1961: M.A. Seine Lehrer waren u.a. Eduard Steuermann, Carl Ruggles,  Lejaren Hiller und Edgar Varese
    1961-1964: Technischer Mitarbeiter der Bell Telephone Laboratories, Murray Hill, New Jersey
    1965-1975: Lehraufträge an mehreren Universitäten und Instituten
    Ab 1976: Professur für Musik an der York University, Toronto, Kanada
    James Tenney war einer der ersten, die in den frühen siebziger Jahren Nancarrow in Mexico besuchten. Er erkannte sofort dessen fundamentale Bedeutung für die zeitgenössische Musik, setzte sich für die Verbreitung seines Werkes ein und sah in ihm einen der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts.

    Spectral Canon for Conlon Nancarrow (1974)    James Tenney - Spectral Canon for Conlon Nancarrow


    In "Spectral Canon for Conlon Nancarrow" wurde ein Computer benutzt, um die Tonlängen, die in einem direkten Verhältnis zu den Tonhöhen stehen, exakt zu berechnen. Das Stück soll auf einem sog. "harmonischen Player Piano" gespielt werden; darunter verstehe ich ein Klavier, das nach der natürlichen Obertonreihe gestimmt ist. Es handelt sich um einen rein rhythmischen Canon mit 24 Stimmen, eine Stimme für jeden der ersten 24 Obertöne über dem tiefen A. Jede Stimme hat die gleiche rhythmische Struktur: sie beginnt sehr langsam, beschleunigt kontinuierlich und wird wieder langsamer. An jeder Stelle der ersten Hälfte des Stückes ist die erste Stimme doppelt so schnell wie die zweite, dreimal so schnell wie die dritte u.s.w.  Die 24. Stimme beginnt erst in der Mitte der Komposition. Das Werk endet, wenn die 24. Stimme die halbe Wegstrecke zurückgelegt hat; dies ist auch der Zeitpunkt des Zusammentreffens aller Stimmen. Die Notenrolle wurde von Nancarrow in seinem Studio in Mexico City gestanzt.

    (J.T. Übersetzung:J.H.)

    James Tenney - Schlussphase des 'Spectral Canon'. Die Komposition

    entstand nicht unter graphischen Gesichtspunkten sondern die Struktur

    der Löcher ergibt sich als Konsequenz einer inneren musikalischen Logik.


    Music for Player Piano   James Tenney - Music for Player Piano


    entstand während Tenneys Beschäftigung bei den Bell Laboratories.  Mit Hilfe eines Computers entwickelte er eine einminütige Sequenz, die dann vorwärts, spiegelbildlich rückwärts, spiegelbildlich vorwärts und rückwärts gestanzt wurde. Als James Tenney, der selbst kein Selbstspielklavier besaß, versuchte, die Notenrolle in einer Player Piano-Fabrik in New York einmal anzuhören, schüttelte der Inhaber ungläubig den Kopf, entschuldigte sich vielmals und meinte, das verwendete Player Piano müsse defekt sein. 

    J.H.

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